„Antriebslos“. Ich behaupte einfach mal kackfrech, dass hier nur die wenigsten tatsächlich etwas mit diesem Begriff anfangen können. (Zumindest hoffe ich das, alles andere würde mal wieder zeigen wie schlimm es um uns steht.)
Nun, widmen wir uns zu aller erst einmal der konkreten Erklärung, die wir, wie immer wenn wir schlau sein wollen, vom Kernaussagesatz bei Wikipedia klauen.
„Antriebsstörung ist ein Fachbegriff für ein Symptom in der Psychologie. Unter Antrieb versteht man die Fähigkeit und den Willen zur zielgerichteten Aktivität, was Voraussetzung jeder höheren psychischen Leistung ist. Eine Antriebsstörung kann eine Steigerung oder eine Verminderung des Antriebs sein.“
Antriebslos ist außerdem nur der umgangssprachliche Begriff für Antriebsstörung. Für mich klingt das nach einer kleinen sprachlichen Verharmlosung. Aber ich hacke jetzt nicht auf Sprache herum, sonst bin ich später die Gender Tante.
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Während ich aus dem Bus steige, merke ich wie mich nun die Müdigkeit vereinnahmt. Zwischen dem Akt des Aussteigens, den ich als äußerst anstrengend empfinde da er bei mir immer für kurze Orientierungslosigkeit führt- besonders wenn ich Gedanken war, und dem Akt des nach Hause Gehens entsteht ein Filmriss.
Ich finde mich plötzlich im Esszimmer wieder.
Sehr Klischeehaft starre ich in die schwarze Lehrerbrühe, die mein Vater mir da gemacht hat.
Tranken nicht Psychopathen schwarzen Kaffee?
Wieder eine dieser vollkommen sinnlosen „Fakten“, die man sich aber leider doch merkte.
Mit Fakten wie diesen betäubt sich gerne der Mensch des 21Jahunderts. Dieser sonderbare Sapiens, mit seinen Rückenbeschwerden, der Fettleibigkeit und den Angststörungen.
Dazu kommt noch krankhafter Atheismus und immer diese Pauschalisierung. Der Kaffee ist irgendwie leer. War er nicht gerade noch voll?
Resigniert Whattsappe ich irgendwelchen Non-Sense, schaue mir auf Instagram an wie andere Menschen definitiv ein besseres, bunteres, schöneres und vor allen Dingen: teureres Leben haben, als ich.
Der Nikotin ruft, somit nehme ich mir noch eine neue volle Tasse schwarzen Kaffee mit in die brüllende Hitze nach draußen.
Zug für Zug bilde ich mir ein das Rauchen sei der Erste Schritt Richtung Autor, Künstler. Richtige Autoren und Künstler rauchen nämlich viel, haben eine Obsession für Wein und schreiben gerne auf Schreibmaschinen.
Da bin ich sehr altmodisch.
Blei legt sich auf meine Glieder, ich kann kaum einen Gedanken fassen. Langsam stehe ich auf und schlurfe auf die Couch.
Nur ein kleines Nickerchen. Wecker auf 30 Minuten gestellt.
Jetzt kommt der Teufelskreis ins Rollen. Nach benommenem Aufwachen vom Wecker, stelle ich ihn aus.
Ich hab ja Zeit. Ich kann nachher lernen.
Es ist kein Schlaf, der einen da umhüllt. Es ist auch keine Entspannung. Das, meine Damen und Herren, das ist die Hölle.
Zehn Mal lieber würde ich in David Lynchs Hölle mit Dale Cooper umher irren, als diese Schmach des Nichtstuns zu ertragen.
Denn es ist nicht Nichtstun. Es ist ausharren, warten bis es vorbei ist.
Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass Antriebslosigkeit ursprünglich für zum Tod verdammte gedacht war.
Bevor man sich zur Letzten Ruhe bettet usw.
Stattdessen vergeude ich meine Zeit damit, meine Träume besser zu finden als das Leben. Inception ist wahr geworden, jetzt fehlt nur noch DiCaprio als Zeuge meines Suizids.
Wie soll man diese Bewusste Realitätsflucht überstehen, in einer Gesellschaft in der nichts anderes getan wird?
Wir alle ziehen uns Serien rein, zocken und tun nichts- das Opium der Gesellschaft ist die mediale Welt.
Jeder, der etwas anderes behauptet, soll mir bitte das Gegenteil beweisen.
Dieses Opium, das zwanghafte nichts-selbst-erleben ist gepaart mit krankhaftem Individualismus und Selbstdarstellung.
Jeder hier hat bestimmt eine ganz harte Geschichte, „ist crazy“, „nicht so wie die anderen“ oder hört am Ende sogar Nirvana.
Natürlich gibt es noch die Verfechter der krankhaften Normalität, aber um die müssen wir uns keine Sorgen machen.
Sie halten uns von nichts ab, weil die ja mit Tatort gucken beschäftigt sind.
Jegliche Kontrolle über mein Tun oder nicht Tun, verliere ich manchmal komplett. Dann liege ich da, an die Decke starrend.
Tage brauche ich um kleine Haushaltssachen zu machen. Seid fünf Tagen geistert die Wäsche durch meinen Kopf.
Tinder meldet sich. Noch einer, dem ich nicht antworten werde.
Aber darüber rege ich mich wann anders auf.